Europawahl: Bald keine Entschädigungen für Fluggäste mehr?
In rund 10 Tagen geht Europa an die Wahlurne, um das Europäische Parlament zu wählen – Anlass, um noch einmal genauer auf den aktuellen Stand der Debatte um Fluggastrechte zu schauen. Hier bahnt sich nämlich eine ungeheuerliche Entwicklung an: der Ausschluss von Entschädigungen bei technischen Defekten.
Die Initiative: Bei technischen Defekte sollen Entschädigungen entfallen
Auf Initiative der Airline-freundlichen Mitgliedstaaten Niederlande und Großbritannien sollen Fluggesellschaften bei unerwarteten Flugsicherheitsmängeln von ihrer Zahlungspflicht befreit werden, wenn sie ihre Maschinen ordnungsgemäß gewartet haben.
Dabei berufen sich die Fürsprecher auf ein absurdes Argument: Diese Neuerung diene der Sicherheit im Flugverkehr.
Absurd ist dieses Argument, weil es suggeriert, aktuell würde bei der Flugsicherheit nicht genug vorgesorgt. Natürlich sind die Airlines aber schon heute gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Maschinen regelmäßig und ordnungsgemäß zu warten und technische Defekte auszuschließen. Alles andere wäre auch unverantwortlich.
Die Folge: 8 von 10 Entschädigungsansprüchen entfallen
In Wirklichkeit dürften dabei eher wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen: “Mindestens 80 bis zu 95 Prozent aller Verspätungen gehen auf technische Defekte der Airlines zurück”, überschlägt Jan Rameken, Geschäftsführer von EUclaim Deutschland. Zumindest acht von zehn Entschädigungsansprüchen von Fluggästen würden somit künftig ersatzlos entfallen.
Neben diesen Forderungen wird es fast bedeutungslos, dass nach dem Willen des Verkehrsministerrates Verspätungen künftig auch bis zu 12 Stunden lang entschädigungsfrei bleiben sollen. Heute müssen Airlines bereits ab drei Stunden Verspätung entschädigen.
Treten die Vorschläge im Sinne der Airlines in Kraft, wäre damit faktisch das Aus für die Fluggastrechte in Europa besiegelt.
Entscheidung um Fluggastrechte: Die nächsten Schritte
Ob und in welcher Form die Fluggastrechte eingeschränkt werden, entscheidet sich erst nach der Wahl. Am 5. Juni treffen sich Vertreter des Verkehrsministerrates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, um über einen Kompromiss zu beraten.
Zurzeit haben Stimmen zugunsten der Airlines in Kommission und Rat die Oberhand. Das Parlament steht vor der Wahl überwiegend auf Seiten der Fluggäste. Nötig wäre nun eine eindeutige proaktive Positionierung Deutschlands zugunsten der Verbraucher im Rat. Bislang konnten sich die beteiligten Ministerien für Verkehr sowie für Verbraucherschutz und Justiz jedoch nicht auf eine gemeinsame Position verständigen. So bleibt das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die Fluggastrechte nicht auszuhöhlen, ein reines Lippenbekenntnis.
Nach Abschluss des Trilogs muss das Parlament in der zweiten und gegebenenfalls in der dritten Sitzung über den verhandelten Kompromiss abstimmen. Mit einer endgültigen Entscheidung ist nach heutigem Stand nicht vor 2015 zu rechnen.